Heimatverein Beesten e.V.
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Tödden
C&A Brenninkmeyer, Peck & Cloppenburg, Hettlage, Vroom & Dressmann, Schweigmann sind Namen
großer Textilunternehmen , die uns in vielen Städten begegnen. Sie alle fanden ihren Ursprung im
hiesigen Raum der ehemaligen Grafschaft Lingen und Hopsten, das im 18. Jahrhundert zum damaligen
Fürstentum Münster gehörte.
In der Obergrafschaft Lingen sind insbesondere die Dörfer Mettingen, Recke, Ibbenbüren, in der
Niedergrafschaft insbesondere Schapen und Beesten zu nennen.
Was sind Tödden?
Tödden waren Wanderhändler, die in der Blütezeit des Töddenhandels im 18. Jahrhundert, vorwiegend
neben den Niederlanden auch die preußischen Provinzen Mecklenburg, Pommern, Schleswig-Holstein
bereisten und regen Handel betrieben.
An sich sind die Töddengroßhändler und die eigentlichen Tödden, die Packenträger, die ihre Waren –
vorwiegend Leinen - in einem Korb oder Sack auf den Rücken trugen.
Die Töddnegroßhändler versorgten, die Packenträger mit Ware, zum Teil auch auf Kredit. Sie kauften
diese in großen Mengen ein und ließen Sie mit Planwagen in ihre Lager schaffen. Ein Großhändler hatte
oft bis zu 200 einfache Tödden in seinem Dienst, die die Waren dann in Nord-, West- und Osteuropa an
den Endverbraucher brachten.
Die eigentlichen Tödden aber waren Packenträger, die im Februar mit einem vollen Tragpacken den
weiten Weg zu ihren angestammten Absatzgebieten antraten, im Sommer während der Erntearbeiten im
Absatzgebiet in die Heimat zurückkehrten, Ende August noch einmal auf Reise gingen, um bei
Winteranbruch in die Heimat zurückzukehren und das Weihnachtsfest im Kreis der Familie zu feiern.
Dreiviertel eines Jahres waren sie somit von „Heim und Herd“ getrennt. Sie behielten ihren Wohnsitz in
unserer Region. Die Frauen übernahmen in der Abwesenheit die Versorgung des landwirtschaftlichen
Hofes und der Familie.
Die Entwicklung des Töddenhandels
Die Anfänge des Töddenhandels lagen vermutlich in der Zeit des Dreißigjährigen Krieges.
Erste urkundlichen Erwähnungen Beestener Kaufleute datieren aus dem Jahre 1637. Diese Quellen
lassen aber darauf schließen, dass die genannten bereits seit Jahren Handel betrieben.
Man vermutet, dass nach dem Dreißigjährigen Krieg, die Städte ihre alte Vormachtstellung, die sie zur
Zeit der Hanse hatten, nicht mehr erreichen konnten und die Konkurrenz der Händler vom Lande
hinnehmen mussten.
Dabei forcierte sicherlich auch die besondere politische Situation der Grafschaft Lingen den weiteren
Aufbau des Töddenhandels. Zwischen 1650 und 1702 war die Grafschaft Lingen meist ein Teil der
Niederlande, so dass auch die Beestener Tödden, die zumeist in Holland ihre Waren verkauften, als
Inländer „hausieren“ konnten.
Als Beesten 1702 mit der Grafschaft Lingen an Preußen kam, versuchten die preußischen Behörden,
den Hausierhandel der „Lingischen Packenträger“ den Gesetzen des Merkantilismus (viel Export, wenig
Import) zu unterwerfen, vertrieben damit aber die meisten Großhändler aus dem Lande. Dieses betraf
vornehmlich die Schapener Großhändler.
Das Töddendorf Hopsten liegt nur wenige Kilometer entfernt im ausländischen Fürstbistum Münster.
Deren Bewohner kannten weder Handelsbeschränkungen noch hohe Steuern, weder Wehrpflicht noch
Glaubenswirren – mal katholisch, mal evangelisch.
Es folgten in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts in Preußen Einfuhrverbot von Ravensberger
Leinen, was viele Tödden veranlasste auf andere Absatzgebiete, wie die Niederlande, oder auf andere
Produkte auszuweichen.
Um 1777 verlangte Preußen, dass die Kaufleute Warenlager in den Handelsstätten anlegen mussten, in
denen Steuern erhoben werden konnten.
Immer mehr Unternehmen sehen sich veranlasst , sich in den Absatzgebieten niederzulassen, wie auch
z.B. das Beestener Unternehmen B.Sandt&J.Timmer in Compagnie in Gieten (Drenthe).Voraussetzung
für so einen Schritt war der Erwerb des Bürgerrechtes. Wohnsitz der Familien blieb oftmals das
Herkunftsdorf.
Anfang des 19. Jahrhunderts kam mit Napoleon die Gewerbe- und Handelsfreiheit über Preußen und
ganz Nord- und Westeuropa.
Jeder, der genug Kapital hatte, konnte an jedem Ort Ladenlokale oder Kaufhäuser errichten. Nur in
dünnbesiedelten Gegenden brachte der Hausierhandel noch etwas ein.
Eine verbesserte Infrastruktur, die mit der Einführung der Eisenbahn ganz neue Wege beschritt, machte
den Wanderhandel überflüssig.
Zudem verdrängt die Baumwolle immer mehr das vorwiegend gehandelte Leinen.
Bis dahin hatte der Handel vielen Familien gerade in den Hochburgen Hopsten und Schapen Wohlstand
gebracht. Noch heute zeugen davon einige Gebäude.
Aber auch in Beesten – und das wird noch heute oftmals verkannt – spielte das Töddenwesen eine nicht
unwesentliche Rolle. Um 1750 handelten alleine 74 Beestener Tödden mit Waren in alle Welt.
Das einzige noch existierende Haus ist das Töddenhaus Urschen.
Aber auch andere wertvolle Dinge zeugen noch heute von einem gewissen Wohlstand einiger
Töddenfamilien. Diverse Stiftungen von beispielsweise Kircheneinrichtungen und Gegenständen sind
entsprechendes Indiz für Wohlstand und Verbundenheit zur Kirche.
Ende 1749 bereiste der vom König beauftragte Steuerbeamte Culemann die Grafschaft Lingen. Der
Departements-Rat beschreibt u.a. das Leben der Tödden:
„...weil die Mannsleute fast die größte Zeit des Jahres abwesend sind und ihren Handel in ganz
Deutschland, Schweden, Dänemark, Preußen, Brabant, Frankreich, ja nach Spanien treiben, daher sich
hier die Leute auf Erlernung der Sprachen, Schreiben und Rechnen gut verstehen ..., den Ackerbau aber
lassen sie durch die Weiber und Knechte verrichten. Denn, wenn die Männer auf etwa 6 Wochen nach
Hause kommen und von Bielefeld neuen Vorrat an Leinwand holen, verbringen sie die Zeit mit allerhand
Plaisiers.“
„Sie geben sich Mühe, das Land zu bevölkern, und die katholischen Priester rechnen von dieser Zeit das
zu erhoffende Taufgeld.“
„Wegen Ehebruchsachen werden keine Klagen geführt, weil die Lingische Nation zu dergleichen
Vergehen überhaupt nicht neigt. Was aber geschieht, wenn sie mit dem Packen außer Landes sind, oder
in Holland arbeiten, solches ist mir nicht bekannt.“
„Das Verbot von 1742 gegen das unvorsichtige und gefährliche Tobackrauchen wird nirgends weniger
als hier in der Grafschaft Lingen beachtet. Die Leute leben wie die Holländer, sie lieben ein freies Wesen
und kehren sich wenig an guter Ordnung. „
Das Töddenwesen gewinnt – auch durch die touristische Vermarktung - immer mehr an allgemeiner
Aufmerksamkeit.
In den kommenden Jahren werden sich durch Heimat- und Familienforschung und Sichtung weiterer
Quellen sicherlich noch weitere Erkenntnisse zum Töddenwesen und Töddenfamilien in Beesten
ergeben.