Heimatverein Beesten e.V.
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Molkereigeschichte in Beesten
Am 22. November 1889 versammelten sich im Gasthof Beckmann in Beesten 39 Landwirte aus Beesten,
Schardingen, Talge, Wilsten und Messingen zur Gründung einer Molkerei-Genossenschaft. Von dem zur
Eintragung in das Genossenschaftsregister eingereichten Protokoll fertigte ein Beamter des Königlich
Preussischen Amtsgerichtes Freren für den Vorstandsvorsitzenden H. Hollen eine Abschrift an.
Initiator dieser Genossenschaft war der in der Gründungsversammlung gewählte erste
Aufsichtsratsvorsitzende, Wilhelm Beestermöller (*1847 +1933). Im Jahre 1888 auf Kirmesbesuch im
Elternhaus seiner Ehefrau in Bawinkel, vernahm er sehr Positives von der dort ein Jahr zuvor
gegründeten Bawinkeler Molkereigenossenschaft. Dies veranlasste ihn, in Beesten überzeugend bei
seinen Berufskollegen aktiv zu werden. Im September 1889, vor der eigentlichen
Genossenschaftsgründung, waren Grundstücksverhandlungen und Gebäudeplanung abgeschlossen.
Vorbesitzer des 800 Quadratmeter großen Grundstücks war Haman, einer der drei Windmühlenbesitzer,
die auf dem Nachbargrundstück 10 Jahre zuvor gemeinsam eine wuchtige Windmühle errichtet hatten.
Einen Teil der finanziellen Mittel (9000 Mark), dies sagt ein Stempel auf einer im Besitz der
Genossenschaft befindlichen Urkunde, beschaffte sich die Molkerei im März 1890 bei der "Plantlünner
Sparkasse, L. Schriever & CP. " Seitens dieser Sparkasse ist im Juli 1894 die Rückzahlung durch die
Herren Domkapitular Schriever und Lehrer Oevermann quittiert.
Im Kreise Lingen bestand im übrigen vor Gründung der Bawinkeler Molkereigenossenschaft seit 1886
schon die Emsbürener Molkereigenossenschaft in Leschede, die, gefolgt von der Beestener
Molkereigenossenschaft, die älteste Wurzel der Raiffeisen-Molkerei-Lingen-Ems eG darstellt. Beide
haben bekanntlich zu verschiedenen Zeitpunkten in den siebziger Jahren dieses Jahrhunderts mit der
Molkerei Lingen fusioniert.
Bei der Molkerei in Beesten liefen die Geschäfte nicht so
reibungslos an wie in Bawinkel. Nach einem Jahr Betriebszeit
mussten Direktor und Betriebsleiter abgelöst werden. Den
Vorsitz im Vorstand übertrug man August Herbers, der bis dato
Aufsichtsratsmitglied war. Dieses Amt hatte er mit großem Erfolg
bis 1930 inne.
Was die Verwertung der Milch betrifft, beschränkte man sich auf
die im hiesigen Raum für Landbetriebe übliche Butterherstellung
bei Rücklieferung der anfallenden Mager- und Buttermilch an die
Milchlieferanten zu Futterzwecken. Die erzielten Erlöse
ermöglichten anfangs eine Auszahlung von 4 bis 7 Pf je Liter
Vollmilch.
Im Jahre 1907 änderte die Generalversammlung Firma und Haftart zwecks Gleichstellung der alten und
neuen Mitglieder bezüglich der Haftsumme. Die Firma hieß nun :
"Molkerei eingetragene Genossenschaft mit unbeschränkter Haftpflicht in Beesten".
Eine grundsätzliche Änderung bezüglich der Milchverwendung ergab sich im 1. Weltkrieg. Im Jahre 1917
machte die Nahrungsmittelknappheit im Ruhrgebiet Trinkmilchlieferungen an dortige Milchhändler
notwendig. Auch Speisequark wurde in das Herstellungsprogramm zeitweise aufgenommen. Die
Trinkmilchverwertung war offensichtlich lukrativ. Man trennte sich erst 1934 zwangsweise von diesem per
Bahnwaggon betriebenen Geschäft. Problemlos war es nicht immer gewesen. In der Endphase war die
Molkerei Beesten wegen Forderungsausfall sogar vorübergehend Besitzer eines großen Mietshauses in
Dortmund.
Es begann als reines Rohmilchgeschäft mit den unter den damaligen hygienischen Bedingungen
unvermeidbaren Schwierigkeiten. Anfang der 20iger Jahre brachte eine angeschaffte
Dauererhitzungsanlage eine merkliche Besserung der Qualitätssicherheit. Im Jahre 1923, während der
Inflationszeit, konnten die Erlöse aus dem Ruhrgebiet gar nicht schnell genug nach Beesten übermittelt
werden. Die Fülle von Papiergeld kam in einer der in Dortmund geleerten Milchkannen per Bahnwaggon
nach Beesten zurück. Hier wurde es täglich den Milchfuhrleuten zwecks Barauszahlung an die
Milcherzeuger ausgehändigt, die es am selben Tag noch anlegten, soweit man überhaupt noch etwas
dafür kaufen konnte.
Am 31. Dezember 1923 ist im Vorstandsprotokoll ein 15stelliger Kassenbestand ausgewiesen. In der
Woche vorher hatte die Molkerei Beesten je Liter Milch 220 Milliarden Mark ausgezahlt.
1926 erfuhr das Betriebsgrundstück eine Vergrößerung durch Zukauf. Außerdem erstellte die
Genossenschaft eine Betriebsleiterwohnung durch Aufstockung des Molkereigebäudes.
Die Rohmilchlieferungen kamen durch administrative Maßnahmen der NS-Regierung
(Reichsmilchmarktordnung) im Jahre 1934 zum Erliegen. Dies traf im übrigen auch für alle anderen
beteiligten Molkereien diesseits der westfälischen Grenze zu. Das freiwerdende Milchfett wurde jetzt
wieder der Butterverwertung zugeführt.
Die anfallende Mager- und Buttermilch konnte wegen der
inzwischen erfolgten Umgewöhnung nicht mehr im
ausreichenden Umfang als Futtermilch bei den
Milcherzeugerbetrieben untergebracht werden. Zusammen
mit den umliegenden Molkereien gründete die Molkerei
Beesten eine Milchtrocknungsgenossenschaft, die als
selbständiges Unternehmen auf einem Teilstück des
Betriebsgeländes - ohne Pachtzahlungen versteht sich - ein
Milchtrocknungswerk errichtete und betrieb.
Laufend gestiegene Milchanlieferungen, die Veralterung der
Produktionsanlagen und die Umstrukturierung des
Produktionsprogramms machten im Jahre 1936 einen
völligen Umbau des Betriebes notwendig. Eine noch aus der
Zeit des bis 1930 üblichen Dampfmaschinenbetriebes stammende Riemenantriebsanlage mit
Deckentransmission erhielt einen zeitgemäßen Nachfolger in Form eines Unterflurantriebes. Die
Entrahmungs- und Butterungsanlagen wurden völlig ersetzt. Die wesentlichen Komponenten der neuen
Anlagen waren zwei halbhermetische Alfa-Laval-Separatoren, ein Tödt-Trommelerhitzer für Magermilch
und ein offener selbstfördernder Alfa-Rahmerhitzer. Die Vollmilchvorwärmung geschah in einem Röhren-
Flächenaustauscher. In der Butterei wurden ein halbrunder offener Rahmreifer mit 2000 l Inhalt und ein
Teakholz-Butterfertiger mit 3000 l Inhalt installiert. So konnte die Molkerei mit einem neuen
Maschinenpark verhältnismäßig problemlos die Kriegszeit überstehen.
Die im dritten Reich eingeführte Milchleistungskontrolle, verbunden mit einer Zwangsablieferung, führte in
den Kriegsjahren 1943 und 1944 zu Rekord-Anlieferungsspitzen, die erst 1953 übertroffen wurden.
Im Jahre 1953 erhielt die Butterei eine teilweise Neuausstattung. Nachfolger des Holzbutter- fertigers
wurde ein nichtrostender Stahlfertiger mit 5000 I Inhalt, und durch die Anschaffung eines
Butterabpackautomaten (Benhil, Junior 11, 450 kg/h) ersetzte man die manuelle Abpackung mittels
Formmaschine "Marke Butterhändler" durch ein vollautomatisches System.
Im Zusammenhang mit der 1961 eingeführten Rückgabe dicksaurer Magermilch war eine
Gebäudeerweiterung notwendig. Das südlich am Betriebsgebäude angebaute Kesselhaus mit
Ziegelschornstein - Dampf bezog die Molkerei schon viele Jahre von der Milchtrocknungsgenossenschaft
- wurde abgebrochen und durch einen zweigeschossigen Anbau ersetzt. Das Büro, bisher an der anderen
Gebäudeseite, kam in das Erdgeschoss des neuen Gebäudetraktes. Mit einem größeren Raum im
Obergeschoss verfügte die Genossenschaft nun erstmalig über ein eigenes Sitzungszimmer. Der
Gebäudeerweiterung schloss sich in den Jahren bis 1968 eine totale Renovierung des gesamten Altbaus
an.
Eine wesentliche Komponente zur Rohstoffbeschaffung und -sicherung war und ist eine funktionierende
und kostengünstige Milchanfuhr. In der Gründerzeit ließen die Wegeverhältnisse und die geringe
Milchdichte nur einen engen Erfassungsradius von maximal 10 Kilometern zu. Gelegentliche
Ausweitungsversuche in Richtung Schapen, Lünne und Wesel mussten nach kurzer Zeit mangels
Rentabilität wieder eingestellt werden. Über lange
Zeiträume wurden die einzelnen Touren
regelmäßig ausgeschrieben. Dies führte Anfang
der 30iger Jahre wegen der herrschenden
Arbeitslosigkeit zu Fuhrlöhnen, die den
Milchfuhrleuten sicher gelegentlich die Freude an
der fraglos schweren Arbeit nahmen. Bis Anfang
der 50iger Jahre waren ausnahmslos
Pferdefuhrwerke, cirka 20 an der Zahl, im Einsatz.
In der Folge wurden diese nach und nach durch
Traktoren ersetzt, was zu einer Reduzierung der
Tourenzahl und verbesserten Einkünften für die
Fuhrleute führte. Die Verbesserung des
Arbeitsablaufs durch Einbau von mehr Technik kam
ab 1958 auch den Milchfuhrleuten durch die
Anschaffung von Kannentransportbahnen zugute .
Im Jahre 1966 setzte die Molkerei Beesten den
ersten Milchsammeltankwagen (Fabrikat: Mercedes-Benz 1113 mit Jansky-Aufbau) ein. Zunächst wegen
der erheblichen Magermilchrückgabe noch mit zwei Fahrern besetzt, hatte er am Tag zwischen 100 und
150 Lieferbetriebe abzufahren. Schnelle Strukturveränderungen in der Land- wirtschaft, wie die rasche
Ausrüstung der Milcherzeugerbetriebe mit Kühl- und Stapeleinrichtungen, eine Konzentration der Kuhzahl
auf weniger Betriebe und starke Abwanderungsbewegungen von Arbeitskräften in die Industrie, machten
eine zügige Umstellung auf diese neue Anfuhrart zwingend notwendig. In Messingen war es wenige Jahre
vor der Umstellung der Milchanfuhr von Fuhrwerken mit Traktoren auf Milchsammeltankwagen wegen
Forderungen nach höheren Fuhrlöhnen sogar zu einem unbefristeten Streik der Milchfuhrleute
gekommen. - Alles schon mal dagewesen! - Ein Vorstandsprotokoll aus dem Jahre 1921 vermeldet die
Ankündigung eines Milchfuhrleutestreiks. Damals schätzte man auf der Molkereiseite die Situation
offensichtlich besser ein und legte rechtzeitig drauf.
Die totale Erfassung mit Milchsammeltankwagen geschah ab 1967 nach der Anschaffung des zweiten
Fahrzeugs. Dieses hatte bereits ein Rohmilchfassungsvermögen von 7.600 Litern, während das erste
Fahrzeug nur 5.200 Liter tanken konnte.
Als im Jahre 1970 die Stelle des Leiters der Molkerei Lingen vakant wurde, nutzten die
Verwaltungsorgane der Molkerei Lingen, Spelle und Beesten die Chance der Fusion. Übernehmende
Genossenschaft wurde die Molkerei Lingen. Der Speller Betrieb stellte die Produktion unverzüglich ganz
ein. In Abstimmung mit der Butter-Absatz Osnabrück-Emsland eG kam eine Arbeitsteilung zustande. Die
Molkerei Lingen verzichtete auf die Butterherstellung und übernahm die Entrahmung der gesamten in
Beesten anfallenden Rohmilch, einschließlich der BAZ angelieferten. Die Butter-Absatz, die nach
Übernahme der Milchtrocknungsgenossenschaft Beesten eGmbH durch Fusion ab 1. Januar 1967 das
Beestener Trocknungswerk erheblich ausgeweitet hatte, richtete in einem Teil des alten Walzen-
Trocknungsbetriebes eine Butterei ein.
Für die Molkerei Lingen machte der Arbeitsteilungsvertrag die Installierung einer neuen
Entrahmungsanlage im Werk Beesten erforderlich. Die Investitionen umfassten ein Milchannahmesystem
mit vier Wiegeanlagen (je 8.000 I Inhalt), eine Eiswasseranlage mit zwei Plattenkühlern für die
Nachkühlung der Rohmilch, ein Tanklager mit 4 Tanks zu je 40.000 I Inhalt, einen selbst
entschlammenden Westfalia-Separator, Typ SAMM 20006, mit 20.000 Litern Stundenleistung und zwei
Kolding-Plattenapparate für die Erhitzung von Magermilch und Rahm.
Der Anstieg der Verarbeitungsmenge von 24.000.000 kg im Jahre 1971 auf über 86.000.000 kg Rohmilch
in 1986 führte in den Spitzenmonaten zu einem Betrieb rund um die Uhr. Eine Erweiterung der
Verarbeitungsanlage um eine Entrahmungsanlage war unumgänglich. Die neue Anlage ging 1977 in
Betrieb. Der Separator, Typ Westfalia MSA 160, hat 20.000 Liter Leistung je Stunde. Die
angeschlossenen Plattenapparate für Magermilch und Rahm lieferte wiederum die Firma Kolding.
Eine weitere Steigerung der Verarbeitungskapazität erfolgte im Jahre 1982 durch Austausch der 1971
aufgestellten Zentrifuge mit 20.000 Uh gegen eine Westfalia-MSD 200 mit 25.000 Litern Stundenleistung
und eine Erweiterung der Plattenapparate. Eine Erweiterung des Tanklagers schloss sich an.
Die 1984 eingeführte Milchquote und marktbedingte Umlenkungen der Milchströme in andere
Verwertungen haben inzwischen zu reichlichen Kapazitätsreserven geführt.
In Folge weiterer Konzentration war das Milchwerk Beesten zwischenzeitlich Standort der Nordmílch, die
Ende 2007 sich dazu entschied, diesen Standort zu schließen. Nach längerer Suche übernahm die
holländische DP Supply das Werk.
Im Werk Beesten wurden rund 20 Millionen Euro investier,t so dass hier im Jahr rund 50.000 Tonnen
Emulsionen auf pflanzlicher Basis in schonenden modernen Verfahren sprühgetrocknet werden können.
Dabei handelt es sich um Creamer (Kaffeeweißer), Fattics (Fettprodukte) und Dairics
(Milchaustauschprodukte).
Die Holländer wurden 2012 von der DKM (Deutsches Milchkontor - ein 2011 erfolgter Zusammenschluss
der Humana Milchindustrie und der Nordmilch) wiederum übernommen.